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Stereotype können verlässlich sein oder nicht

Vorurteile können sich auf vielfältige Weise einschleichen. Miranda Fricker konzentriert sich dabei auf die Überlegung, dass sie in erster Linie auf Stereotype zurückgehen, die Menschen bei ihren Glaubwürdigkeitsurteilen als heuristische Entscheidungshilfen dienen. Miranda Fricker fügt hinzu: „Dabei verwende ich den Begriff des Stereotyps wie bisher in einem neutralen Sinne, das heißt Stereotype können verlässlich sein oder auch nicht.“ Zwar gehören verlässliche Stereotype zu jenen Mitteln des Verstandes, mithilfe derer ein Zuhörer Glaubwürdigkeit beurteilt, doch wird Miranda Fricker zeigen, dass Zuhörer dazu neigen, sich auf Stereotype zu berufen, die ein Vorurteil darstellen. In der sozialpsychologischen Forschung gibt es unterschiedliche Auffassungen, was genau mit „Stereotyp“ gemeint ist. Miranda Fricker ist Professorin für Philosophie an der New York University, Co-Direktorin des New York Institute für Philosophy und Honorarprofessorin an der University of Sheffield.

Stereotype können eine positive oder eine negative Wertigkeit haben

Da Miranda Fricker den Begriff neutral verwendet, empfiehlt es sich, den Begriff recht weit zu fassen. Daher hält sie vorher fest, dass Stereotype weit verbreitete Assoziationen zwischen einer bestimmten sozialen Gruppe und einer oder mehreren Eigenschaften sind. Diese Konzeption ist in dreierlei Hinsicht weit gefasst. Erstens ist sie neutral in Bezug darauf, ob die vom Stereotyp verkörperte Verallgemeinerung verlässlich ist oder nicht. Zweitens lässt sie Raum dafür, dass Menschen Stereotypen nicht nur in Form von Überzeugungen anhängen, sondern auch in anderen Bereichen kognitiven Engagement hegen.

Dazu zählen insbesondere solche, die möglicherweise eine affektive Komponente haben wie zum Beispiel Festlegungen, die sich aus kollektiven Imaginationen ergeben und die eventuell weniger transparent sind als Überlegungen. Miranda Fricker ergänzt: „Und drittens trägt sie dem Umstand Rechnung, dass Stereotype eine positive oder eine negative Wertigkeit haben können – oder auch gar keine – je nachdem ob das Attribut abwertend, schmeichelhaft oder indifferent ist, gut, schlecht oder neutral.“

Stereotype können sowohl abwertend wie auch schmeichelhaft sein

Einige Stereotype entziehen sich möglicherweise einer eindeutigen Kategorisierung, weil sie – abhängig vom Kontext – sowohl eine positive wie negative Valenz haben können. Das Stereotyp, demzufolge Frauen intuitiv sind, ist dafür ein typisches Beispiel. Miranda Fricker erläutert: „In Kontexten, in denen davon ausgegangen wird, dass „intuitiv“ Irrationalität suggeriert, ist das Stereotyp abwertend; in Kontexten, in denen Intuition als kognitiver Vorteil angesehen wird, ist das Stereotyp hingegen schmeichelhaft.“

Dann wieder kann es Situationen geben, in denen sowohl die positive als auch die negative Wertigkeit zum Tragen kommen – etwa wenn das Stereotyp ein zweifelhaftes Kompliment zum Ausdruck bringt. Miranda Fricker stellt fest: „Wenn Stereotype weit verbreitete Assoziationen zwischen einer Personengruppe und einem bestimmten Merkmal sind, dann beinhaltet die Stereotypisierung eine kognitive Festlegung auf eine empirische Verallgemeinerung hinsichtlich einer bestimmten sozialen Gruppe.“ Quelle: „Epistemische Ungerechtigkeit“ von Miranda Fricker

Von Hans Klumbies

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